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Während sich unser letzter EFM Blog-Beitrag noch mit der Frage beschäftigte, wie es weitergeht in der Post-EEG Ära und wir uns die Frage stellten, welche Geschäftsmodelle für einen Weiterbetrieb der bislang EEG-geförderten erneuerbaren Energieanlagen bestehen, möchten wir heute den Blick auf das innovative Startup Nefino lenken. Sie haben eine nützliche Software-Lösung für Windenergielagen entwickelt, die Betreiber, Projektierer, Hersteller und Vermarkter, wie auch Banken und Investoren gleichermaßen adressiert. (Lesedauer ca. 20 min)
Mit ihrer smarten GIS-Software namens Nefino LI können sie nicht nur sekundenschnell das Repowering-Potenzial von Windenergieanlagen abschätzen. Sie können ebenso mithilfe von Flächenanalysen, Windsimulationen und Wirtschaftlichkeitsmodellen neue Potenzialflächen identifizieren und operative Windparks bewerten. Ihre Software-Lösung unterstützt sowohl bei der Entscheidungsfindung in einem hochkomplexen Marktumfeld als auch bei der Entwicklung von Strategien, Konzepten und Geschäftsmodellen durch Bereitstellung zentraler Informationen, gewonnen auf Basis umfangreicher Daten.
Mit einem der vier Gründer, Jan-Hendrik Piel, Chief Information Officer bei der Nefino GmbH, sprachen wir über die aktuelle Marktlage der Windenergie in Deutschland und welche Geschäftsaussichten für Energieversorger und Stadtwerke in einem recht bewegten Markt bestehen.
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Jan-Hendrik: Wenn wir nur den deutschen Markt betrachten, gibt es ein Problem hinsichtlich der Flächenkulisse und der überhaupt verfügbaren Flächen für Windenergieanlagen. Das betrifft verschiedene Themen, wie zum Beispiel Abstände zu Siedlungen, den Artenschutz von Vögeln, aber auch diverse weitere Themen. Derzeit wird ein Großteil der Potenzialflächen beklagt, obwohl grundsätzlich eine Investitionsbereitschaft seitens Banken und Investoren gegeben ist, in den Windmarkt zu investieren. Das Problem liegt unter anderem in der Genehmigungsstruktur und wie die Genehmigungsverfahren ablaufen. Da steckt momentan sehr viel Risiko drin, denn derzeit wird eigentlich fast jede Fläche in Deutschland beklagt. Was zur Folge hat, dass dieses Jahr erst 95 Anlagen gebaut werden konnten. Das ist im Vergleich weniger als 10 Prozent, was sonst im selben Zeitraum gebaut wurde, also verschwindend gering.
Jan-Hendrik: Das kommt ganz darauf an. Wir sehen, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, diese Anlagen weiter zu betreiben. Was die alten Anlagen betrifft, sind viele von der Technik her überdimensioniert gebaut worden. In ihnen steckt noch viel technische Lebensdauer. Allerdings ist für den Weiterbetrieb eher die Frage der Wirtschaftlichkeit entscheidend. Diese ist einerseits stark von der Entwicklung der Börsenstrompreise abhängig. Andererseits ergibt sich eine Abhängigkeit aus der Wartungsstrategie für die Anlagen. Viele der Anlagen können bei geringem Wartungsbedarf wirtschaftlich weiterbetrieben werden, solange bis ein Großkomponentenschaden entsteht und sie dann zurückgebaut werden. Durch den geringen Wartungs- und Reparaturaufwand lässt sich quasi noch das letzte aus den Anlagen herausholen und ließe sich das unseren Analysen zur Folge auch an den Strombörsen darstellen.
Die andere Frage ist, ob das wirtschaftlich gesehen, wirklich die ideale Strategie ist. Gerade mit Blick auf das Repowering-Potenzial und dem Neubau von Projekten im Greenfield. Insofern die Problematik der Flächenkulisse nicht gelöst wird, würde es bedeuten, dass irgendwann die Anlagen reihenweise aufgrund des Rückbaus raus fallen und keine neuen Anlagen hinzukommen. Dann würde der Ausbau der Windenergie an Land zum Erliegen kommen und wir müssten aufpassen, dass wir es ab 2021 nicht mit einem Rückgang der installierten Kapazitäten zu tun haben. Das wäre jedenfalls im „Worst Case Scenario“, also dem angenommen schlimmsten Fall so.
Was wir gerade sehen, ist, dass die meisten Anlagen mit einer Nennleistung oberhalb von 1.000 Kilowatt ganz gut weiterbetrieben werden können. Alles was da drunter liegt, lässt sich pauschal nicht beurteilen. Da spielen Faktoren rein, wie zum Beispiel wo die Anlage steht, ob an einem sehr windreichen Standort oder nicht. Alles was unter 1.000 Kilowatt liegt, könnte schon knapp werden. Aber auch für die Anlagen oberhalb 1.000 Kilowatt lässt sich natürlich keine pauschale Aussage treffen – die Frage nach der optimalen Post-EEG Strategie bleibt eine hochkomplexe Herausforderung.
Jan-Hendrik: Eine ideale Post-EEG Strategie würde ich nicht unbedingt auf die einzelnen Windenergieunternehmen, sondern auf jede einzelne Anlage beziehen. Im Endeffekt ist es stark von anlagenspezifischen Eigenschaften abhängig, wie Standort, Windhöffigkeit, Anlagentyp, Flächenzugriff usw. Nehmen wir hier einen Windpark mit 20 Anlagen, bei denen Repowering oder Neubau nur für fünf Anlagen Sinn macht und für die restlichen 15 nicht. Deswegen wäre es jetzt schwierig pauschal zu sagen, für jedes Windenergieunternehmen, wohingegen für jeden Anlagenpark eine optimale Strategie zu entwickeln, durchaus möglich ist.
Jan-Hendrik: Noch Ja, würde ich sagen. Wir sind gerade was den Börsenstrompreis anbelangt bei 3,5 bis 4 Cent die Kilowattstunde. Bei Neuanlagen liegen die Stromgestehungskosten in der Regel bei 5 bis 7 Cent, je nachdem wo die Anlage steht. Da ist schon nicht mehr so viel Raum zum Marktpreis. Gerade um die wirtschaftlichen Anreize zu schaffen und um Betreiber sowie Investoren neue Anlagen schmackhaft zu machen und die Risiken der Investitionen abzufedern sowie das Preisrisiko der volatilen Marktpreise, ist es nach wie vor durchaus sinnvoll auf eine Subventionierung zu setzen.
Jan-Hendrik: Wir sind vier Gründer, die sich nach der Promotion aus der Leibniz Universität Hannover und dem Leibniz Forschungszentrum Energie 2050 ausgegründet haben. Dort haben wir über einen Zeitraum von fünf Jahren an verschiedenen Forschungsprojekten, wie auch Industrieprojekten zum Thema Post-EEG gearbeitet. Daraus sind viele Methoden, Modelle und vor allem auch Daten hervorgegangen. Schon während der Promotionszeit haben wir gemerkt, dass unsere Forschungsarbeit für Unternehmen, mit denen wir zusammengearbeitet haben, hohe Praxisrelevanz hat.
Das hat den Wunsch in uns zum Keimen gebracht, unsere Promotionsarbeiten nicht – wie viele andere auch – im Regal verstauben zu lassen, sondern das, was wir in der Wissenschaft gemacht haben, in eine Software umzumünzen und das Wissen aus der Universität in die Praxis zu tragen. Das hat das Bundeswirtschaftsministerium zum Glück genauso gesehen und uns dann genau für dieses Vorhaben bis Ende August dieses Jahres gefördert. Gegründet haben wir allerdings schon letztes Jahr im September.
Jan-Hendrik: Nefino LI – wobei LI für Location Intelligence steht – ist ein innovatives skalierbares Geoinformationssystem. Es verarbeitet eine Menge Daten, wie zum Beispiel Geodaten, Turbinendaten, Winddaten, Kosten- und Erlösdaten in verschiedenen Modellen, wie Flächenanalysen, Windsimulationen, technische Lebensdauerbewertungen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen. In unserer Lösung kombinieren wir vier Modelle und sind damit in der Lage, dass wir eine Windenergieanlage und dazugehörige Flächen in unter 10 Sekunden unter Berücksichtigung verschiedenster Aspekte, wie Flächenaspekte, Windaspekte und natürlich auch -Wirtschaftlichkeitsaspekte bewerten können.
Diese Kombination und die Schnelligkeit sind die eigentliche Innovation, die unsere Location Intelligence ausmacht. Wir haben ein skalierbares Geoinformationssystem aufgebaut, mit dem wir eine Vielzahl von Windenergieanlagen und Potenzialflächen parallel rechnen können: 1.000 Anlagen in 10 Sekunden auf 1.000 Servern gleichzeitig. Das alles fließt in die Berechnung von Post-EEG Anlagen ein, aber auch in Planungen neuer Windenergieprojekte und beim Repowering.
Jan-Hendrik: In erster Linie adressieren wir damit Betreiber von Windenergieanlagen, die sich mit dem Windparkcheck, den wir auf der Webseite unseres Partners wind-turbine.com gehostet haben, auseinandersetzen. Sie erhalten hier anlagenspezifisch eine optimale Strategie berechnet. Der Betreiber selbst ist jedoch nicht unbedingt unser direkter Kunde, sondern eher der Enabler unseres Geschäftsmodells, sprich derjenige, der es ermöglicht. Er steht in der Mitte und um ihn herum gibt es viele Marktakteure, die für uns als direkte Kunden spannender sind.
Das ist beispielsweise der Projektierer, der nach neuen Flächen und Windenergieanlagen sucht, die er aufkaufen kann. Wir vermitteln dann zwischen dem Projektierer und dem Betreiber der Windenergieanlage. Ebenso sind es große Vermarkter, die Windenergieanlagen suchen, um sie in Post-EEG Zeiten wirtschaftlich gut einsetzen zu können. Auch hier vermitteln wir zwischen dem Betreiber, der über Windenergieanlagen verfügt, die ein hohes Weiterbetriebsvermögen haben und dem Energieversorger, der diese Anlagen aufkaufen möchte. Unsere Kunden sind daher im Endeffekt eher Akteure mit übergeordneter Perspektive auf den Markt.
Jan-Hendrik: Definitiv, für mich fallen sie unter die Energieversorger. Wir haben auch schon mit verschiedenen Stadtwerken gesprochen, da sie nach Lösungen suchen, um Betreiber von Windparks in ihren Regionen überregional zu unterstützen. Das betrifft vor allem Anlagen die voraussichtlich nicht repowert werden können, um sie auch noch längerfristig bzw. so lange wie möglich zu betreiben, zum Beispiel über Direktvermarktungsverträge oder sogenannte Power Purchase Agreements.
Jan-Hendrik: Zu Beginn des Monats haben wir unsere Software gehostet, mit der wir über das gesamte Jahr hinweg Beratungsprojekte durchgeführt haben. Einem ziemlich großen Energieversorger aus der Schweiz haben wir bei der Suche nach solchen Windenergieanlagen, die aus dem Post-EEG Zeitalter hervorgehen und weiterbetrieben werden sollen, unterstützt. Hier konnten wir für den Vermarkter über 500 Anlagen identifizieren, filtern und nach vorgegeben Kriterien bewerten. Ansonsten haben wir auch bereits mit Projektierern mehrere Data-Analytics-Projekte in Richtung Repowering durchgeführt und Betreibern ganz konkret in der Wahl und Ausgestaltung ihrer Post-EEG-Strategien unterstützt.
Jan-Hendrik: Zum einen würden wir uns über Kontakte, die unsere Potenziale aufdecken und uns bei der Akquise mit Kundenkontakten unterstützen, freuen. Spannend ist für uns ebenso, aufgrund des positiven Rücklaufs nach der Messe in Husum, unser Team massiv zu vergrößern. Diese Wachstumsphase möchten wir mit frischem Wachstumskapital begleiten. Hier würden wir uns über Kontaktaufnahmen, die in Richtung strategischer Investitionen in Nefino gehen, freuen.
Jan-Hendrik: Wir sind gerade dabei, unser Business umzustellen und unsere Lösung als webbasiertes Geoinformationssystem Kunden von uns zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet, wir münzen unser derzeitig beratungsintensives Geschäftsmodell hin zu einem skalierbaren auf Software basierendem Geschäftsmodell um. Das ist aktuell unsere größte Herausforderung, bei der wir schon weit fortgeschritten sind und von vielen Seiten Unterstützung erfahren. Dafür benötigen wir eben auch Manpower. Mit unserem bestehendem Team lässt es sich für vier bis sechs Unternehmen gut schaffen. Bei zwanzig, dreißig oder vierzig Unternehmen müssen wir auf jeden Fall in ein größeres Team investieren. Genau daran arbeiten wir, das aufzubauen.
Jan-Hendrik: Das nächstgrößere Event sind die Spreewind-Tage in Potsdam im November diesen Jahres. In diesem Monat werden wir auch in China auf der China Wind Power Exhibition, dem asiatischen Pendant der Windmesse in HUSUM bzw. Hamburg anzutreffen sein. Das ist die größte Windenergiemesse im asiatischen Raum. Da wir uns gleich von Anbeginn international aufstellen, benötigen wir Zugriff auf einen bestimmten Datenbestand und die dazugehörige Regulatorik. Alles andere, wie Flächenanalysen und Windsimulationen können wir global umsetzen. Für die USA haben wir das bereits komplett umgesetzt. Für China sind wir aktuell dabei, weswegen wir nach China fliegen und hier voraussichtlich von der Chinese Wind Energy Association quasi dem Pendant zu Wind Europe den Datenbestand zum chinesischen Markt zur Verfügung gestellt bekommen.
Jan-Hendrik: Das kommt ganz darauf an: Diejenigen, die über innovative Konzepte verfügen, um Windenergie-Anlagen, die aus der Förderung herausfallen, deren Strom auf innovative Weise zu vermarkten. Für diejenigen wäre das jetzt ein guter Moment. Das wäre im Grunde Stärke von Energieversorgern und Stadtwerken. Für diejenigen, die jetzt im großen Stil neue Projekte umsetzen wollen, denen würde ich empfehlen erst mal die Entwicklungen der nächsten Jahre abzuwarten, insbesondere mit Blick auf die Entwicklungen der Flächenkulisse und der Genehmigungsverfahren. Allerdings vor dem Hintergrund, dass es nur um den deutschen Markt geht.
Diverse Betreiber von Windenergieanlagen müssen sich jetzt mit der Thematik auseinandersetzen, was mit ihren Anlagen ab 2020 geschieht. Wer Lösungen für diese Betreiber, wie beispielsweise PPAs oder innovative Wartungs- und Vermarktungsstrategien hat, ist jetzt genau richtig in diesem Markt. Wer hier Wettbewerbsvorteile erzielen kann, für den gibt es sehr viele Angebote in den nächsten Jahren, die ich zum Beispiel als Stadtwerk aufkaufen kann. Jetzt in den Markt über neue Projekte rein zugehen, wäre hingegen aktuell für den deutschen Markt nicht zu empfehlen.
Die Gründer der Nefino GmbH: Chris Stetter (l.), André Koukal (m.), Jan-Hendrik Piel (r.)
Jan-Hendrik Piel
Chief Information Officer
Email: jan-hendrik.piel@nefino.de
Mobile: +49 176 45618442
Phone: +49 511 87458047
Nefino GmbH
Königsworther Platz 1
c/o Leibniz Universität Hannover
30167 Hannover
Telefon: +49 (0)51187458047
E-Mail: info@nefino.de
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